Geschichtenerzähler Roland Müller

 

 

Am Dienstag vor den Feriein war einiges los in der Schülerbücherei. Fast die Hälfte aller Schulkinder hatte sich zur Autorenlesung mit dem Schönaicher Geschichtenerzähler Roland Müller angemeldet und waren sehr gespannt, was sie erwarten würde. Auf, neben und vor dem roten Vorlesesofa der Bücherei lagen bereits viele Gegenstände und es warteten Kästchen und Schatztruhen darauf, geöffnet zu werden. Das Motto lautete: "Wie aus Märchen Bücher werden - oder umgekehrt". Man hätte auch die Überschrift wählen können: "wie die Natur uns Märchen erzählt".

Roland Müller zeigte den Kindern zu Beginn einen Stein, den er von  einem Spaziergang mitgebracht hatte. In diesem erkannten die Kinder, je nach Blickwinkel, auch gleich ganz unterschiedliche Dinge: das Horn eines Nashorns, eine Schnecke, einen Schuh oder die Zipfelmütze eines Zwerges. Mit dieser Fantasie angesteckt, lauschten alle dann auch ganz gebannt der ersten Geschichte in der eben dieser Stein ständig seine Bedeutung verändert und am Ende doch wieder als Felszacke auf dem Berggipfel landete, wo er ganz zu Beginn abgefallen war.  

Weiter ging es dann in den Buchstabenwald, worin vermeintlich keines der Kinder je gewesen war. Erst als Roland Müller ein Kästchen mit einer Sammlung von Aststücken öffnete und die Kinder allen Fundstücken sofort Buchstaben zuordnen konnten, wussten sie, dass sie alle schonmal dort waren. Genauso erging es der Prinzessin Lissy in der Geschichte, die er nun aus seinem Buch Moranas Geburtstag vortrug. 

Die Kinder waren nun vollkommen von der Fantasie gefesselt, so dass sie gleich merkten, das man in einem Wald noch viel mehr finden kann: Zwergenmützen oder -schüsselchen (leere Eichel), Zwergenlaternen (angeknabberte Tannenzapfen), oder wenn man Glück hat auch einen echten Zahn aus der Geschichte von Hinze Holzzahn, den man fast nicht von einer kaputten Wäscheklammer unterscheiden kann.

Dass alle Kinder in der Lage sind, sogar selbst eine fantasiereiche Geschichte zu basteln, das beweist die Geschichte, die am Ende der Stunde gemeinsam von allen erfunden wurde. Roland Müller teilte dazu einige Gegenstände aus und jedes Kind, das einen Gegenstand in den Händen hielt, durfte das Märchen um einen Satz ergänzen, worin dieser Gegenstand vorkommen musste.

 

Der Schatz des Drachens

Es war einmal ein Drache in einer tiefen Höhle, der bewachte einen Schatz in
Form einer goldenen Brücke, auf der ein goldener Clown mit einer silbernen Perle
stand. Ab und zu trank der Drache aus einem grünen Becher einen Drachentrunk
von einem Fass, das nur mit einem Pinsel aus Drachenschuppen zu öffnen war.
Dann schaute er durch sein Fernglas. Vor seiner Höhle war allerhand los. Der
Nikolaus kam gerade Walnuss essend mit seinem Hund vorüber; er war auf dem
Heimweg von Weihnachten her. Eine Maus schaute in die Höhle hinein. Ein
Waldwichtel stolperte über einen Stein und fiel dabei auf den Spiegel, in dem
sich eigentlich der Clown betrachten wollte.
Dem Drachen war es nicht recht, dass sich so viele Wesen vor seiner Höhle
tummelten. Er befragte seinen Zauberpilz, was wohl am besten zu tun wäre. Der
Pilz riet ihm, mit der Drachenschaufel all diese Störenfriede wegzuschaufeln.
Doch die Schaufel war durch den goldenen Ring einer Fee fest an ihren Platz im
Drachenloch gebannt. Auf einmal kam auch noch ein Pinguin angewatschelt,
gefolgt von einer Edelstein-Schildkröte. Sie unterhielten sich, welche Zahl des
Zauberwürfels, den sie unterwegs gefunden hatten, ihre gemeinsame Glückszahl
wäre. Doch sie konnten sich darüber nicht einigen.
Unterdessen hatte eine weitere Maus den Schlüssel gefunden, der den goldenen
Tannenzapfen öffnen konnte. Darin waren eine Glocke und eine Trillerpfeife. Als
die Glocke läutete, war sofort allen klar, was zu tun war: Sie mussten ein Fest
feiern, um den Drachen zu erlösen! Der Drache aber kroch aus seiner Höhle und
blickte bitterböse. Da pfiff ihn die Maus mit der Trillerpfeife an, und sogleich
füllte sich des Drachen Herz mit Lust und Freude. Er verwandelte sich in einen
regenbogenbunten Zauberlehrling und tanzte mit allen, die ihm Hand, Pfote,
Kralle oder Flügel reichten. Sein Schatz wurde zum Musikinstrument, und alle
feierten ein fröhliches Fest. Sogar die Kinder aus dem nahen Dorf kamen herbei
und feierten mit, und wer noch nicht müde geworden ist vom vielen Feiern, feiert
immer noch dort, wo dies alles geschehen ist.

(gemeinsam erfunden von 43 Kindern der Grundschule Darmsheim am 25. Februar 2014,
danach aufgeschrieben vom Geschichtenerzähler Roland Müller, so wie er glaubt, es
gehört zu haben)


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